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Kommentar  05.01.2014 (Archiv)

Auf dem Weg in die Postdemokratie

Der Westen ist formal demokratisch und real doch durchsetzt von PR und Marketing ohne wirkliche Wahlfreiheit. Eine Analyse aus den Reihen der deutschen Piraten stellt auch deren Existenz in diesen Kontext.

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Tendenziell verhält es sich so auch mit der Institution des Parlaments: Wer glaubt, im Parlament würde mit Sachlichkeit und Argumenten gestritten, ist im besten Fall naiv. Und wer meint, ein Parlament diene in der vorgefundenen Form der Kontrolle der Regierung, hat nicht viel verstanden oder ist Politiklehrer/in. Im Gegenteil: Das heutige Parlament – das ist eine Binsenweisheit – dient der scheinbaren demokratischen Legitimierung von Regierungspolitik. Der vorgebliche Kampf zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen ist ein symbolischer Akt, dessen Ausgang immer schon von vorneherein gewiss ist. Die bisherigen Oppositionsfraktionen begreifen sich hier auch eher als „Regierung im Wartestand“ denn als tatsächlich opponierende Akteure. Die Arbeit im Parlament ist weitaus weniger attraktiv, als es von außen den Anschein haben mag. Sie ist auch weitaus weniger politisch. Sie besteht für eine Oppositionsfraktion vor allem darin zu akzeptieren, dass lang erarbeitete Anträge oder sonstige Initiativen von den regierenden Fraktionen ohne Debatte vom Tisch gewischt werden. Die Parlamentsarbeit besteht auch darin, ein feindseliges Umfeld auszuhalten, das in erster Linie von Parteiinteressen – und nicht von Parlamentsinteressen – geprägt ist. Sei es, dass Vertreter/innen von Regierungsfraktionen, die außer ihrem Parteibuch so gut wie keine Kompetenzen aufweisen können, abfällige Bemerkungen machen oder auch vor Verleumdungen nicht zurückschrecken. Oder sei es, dass Vertreter/innen von Oppositionsfraktionen zwar eine oppositionelle Gemeinsamkeit heucheln, in Wirklichkeit aber nur die Konkurrenz klein halten wollen und einen gerne auch mal ins offene Messer laufen lassen. Das parlamentarische Klima ist eines, das von Parteien-Kaspereien, Falschheit und Intrigen geprägt ist und in dem man aufpassen muss, mit wem man über was spricht. Für Parteimenschen, die sich seit Jahrzehnten in diesem Bereich bewegen, oder solche, die über ihre Parteilaufbahn so konformistisch sozialisiert sind, dass sie als Parlamentsneulinge genau so hohl agieren wie die Alten, ist dieses Klima nichts befremdliches. Für Piraten, die einen wenn auch diffusen aber immerhin ehrlich gemeinten politischen Anspruch haben, ist dieses Klima mindestens unangenehm. Das ist wahrscheinlich schon so seit es Parlamente gibt. Verstärkt wird die unpolitische, weil nicht kontrollierende sondern nur noch den Status quo abnickende, Ausrichtung des Parlaments durch die den o. g. Mechanismen folgenden postdemokratischen Parteien.

Politische Pathologie

Man kann nun gegen den Begriff der Postdemokratie einwenden, dass demokratische Systeme schon immer gewisse Funktionsstörungen aufwiesen bzw. es mit der proklamierten Demokratie oft nicht allzu weit her war. Schon 1966 kritisierte Karl Jaspers die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik als ein System, in welchem per Grundgesetz „die Wirksamkeit des Volkes auf ein Minimum“ beschränkt sei. Dies habe seine Ursache zum Beispiel darin, dass für die Bürgerinnen und Bürger lediglich von den Parteien vorgesetzte Listen und Personen zur Wahl stünden, dass also die Parteigremien die Grundrichtung des Wahlprozesses angeben und nicht die Bevölkerung selbst. Um überhaupt Einfluss nehmen zu können, sei eine Parteimitgliedschaft notwendig. Die tatsächlich von der Bevölkerung ausgehende Wirkung sei „ungemein gering“. Etwas weniger abstrakt verhält es sich vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse rund um Geheimdienste und vorgeblich die Verfassung schützende Institutionen mit der ebenfalls schon Jahrzehnte alten Kritik am Prinzip der Geheimhaltung innerhalb demokratischer Systeme. Carl J. Friedrich benannte die Geheimhaltung als eine Funktionsstörung, die der Demokratie grundsätzlich widerspreche. „[D]ieser Widerspruch lässt sich durch keine noch so subtilen Gegenargumente aufheben.“ Friedrich bezieht diese Kritik in erster Linie auf geheimdienstliche Politik. Mit welcher Inkompetenz Geheimdienste in Deutschland arbeiten, belegt deren weitläufiges Versagen in den Vorgängen um den NSU. Offiziell dokumentiert ist dies zum Beispiel im Bericht Untersuchungsausschusses des Bundestages. Vom Versäumnis, die eigenen Quellen auf den NSU anzusetzen, über das Zurückhalten von Informationen zum vorgeblichen Schutz eben dieser Quellen, der Verstrickung von Verfassungsschutz-Quellen in die Führungsebene der Neonaziszene bis hin zu mehrfach vorgenommenen Aktenvernichtungen ist alles dabei. Wie mit solchen Institutionen die Verfassung „geschützt“ werden soll, ist unklar. Vielmehr sind die so genannten Verfassungsschutzämter als teilweise verselbständigte Bürokratien anzusehen, deren Selbstzweck ihre Selbsterhaltung ist und die deshalb nicht müde werden, ihre eigene Wichtigkeit zu unterstreichen. Da es im Wesen von Geheimdiensten angelegt ist, sich der demokratischen, also öffentlichen, Kontrolle möglichst zu entziehen, kann dem immer wieder von den Ämtern vorgebrachten Scheinargument, man habe wichtige „Erkenntnisse“ über diese oder jene gefährliche Entwicklung zusammengetragen, nichts entgegengesetzt werden. Im Grunde genommen versuchen die Ämter sich lediglich durch die von ihnen selbst geschaffenen Angst-Szenarien zu legitimieren. Die Frage ist dabei, ob diese Bürokratien überhaupt noch reformierbar sind, oder ob sie nicht einfach abgeschafft gehörten. Die Republik würde jedenfalls nicht sofort zusammenbrechen: Für die Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten sind ohnehin andere Behörden zuständig und das Sammeln von autonomen Flugblättern und Zeitungsausschnitten über Linkspartei-Politiker besorgen zahlreiche politische Archive besser als duckmäuserische Beamte. Wie dem auch sei: Solcherlei verselbständigte Apparate lassen sich von einem Parlament nicht kontrollieren, selbst wenn es ständige, selbstverständlich geheim tagende, Ausschüsse einrichtet oder beim jeweiligen Geheimdienstskandal einen Untersuchungsausschuss hinterher schiebt. Dem Staat und seinen Institutionen hier bedingungslos zu vertrauen ist nicht angebracht. Dennoch ist auch innerhalb der Piratenpartei die Haltung verbreitet, der Staat und seine Institutionen seien eine Ansammlung unpolitischer Behältnisse, die nur mit dem richtigen Inhalt gefüllt werden müssten. Das parteiintern oft gebrauchte geflügelte Wort vom Rechtsstaat und dessen unkritische Anrufung zeugen nicht nur von politischer Naivität. Darüber hinaus geht diese Sichtweise von der Prämisse aus, beim Staat handle es sich um eine neutrale Instanz, an deren Vertreter/innen man nur ausreichend stark appellieren müsste, um einen „Politikwechsel“ zu bewirken oder dem „Allgemeinwohl“ zu dienen. Der Staat ist jedoch entgegen dieser Auffassung gerade nicht als neutral zu betrachten, sondern als „eine zentrale Instanz, um die bestehenden, herrschaftsförmigen gesellschaftlichen Verhältnisse abzusichern [...]“. Es kommt demnach zunächst nicht darauf an, wer oder welche Partei gerade an der Regierung steht, da im vorgefundenen System eben strukturelle Gegebenheiten herrschen, die zunächst geändert werden müssten, sollte sich daraus tatsächlich eine wahrnehmbare oder gar universelle politische Veränderung ergeben. Ein gesundes Misstrauen gegenüber dem Staat und seinen Institutionen stünde einer Partei gut zu Gesicht, die sich die Bewahrung der Abwehrrechte der Bürger/innen gegen den Staat (Grundrechte) auf die Fahnen geschrieben hat und in der der Begriff „Bürgerrechte“ ebenfalls hoch gehandelt wird. Auch die Verfassungsgerichte sind zu diesen Institutionen zu rechnen, werden sie doch ausschließlich (partei-)politisch besetzt. Macht sich die Piratenpartei ein unkritisches und staatsgläubiges Politikverständnis zu eigen, kann sie vielleicht vor den Augen der nichts als den Status quo akzeptierenden Akteure – wie zum Beispiel Politiker/innen anderer Parteien oder durchschnittliche Journalist/innen – bestehen und weiter im einen oder anderen Parlament Platz nehmen. Ihr Anspruch zum „Ändern“ ist damit jedoch nicht umzusetzen. Vielmehr würde sich die Partei durch ihr Aufgehen im postdemokratischen Parteiensystem selbst überflüssig machen – so sie ihren Anspruch wirklich ernst nimmt und es sich dabei nicht nur um ein Label eigener PR-Strategien handelt. Wie also können und wollen Piraten in so einem Kontext wirken? Wollen sie sich anpassen, sich also auf den im Kern unpolitischen Parteien-Reigen einlassen, oder wollen sie versuchen, dieses System zu verändern? Das ist die Systemfrage, die sich die Piratenpartei stellen muss, wenn sie eine Berechtigung als wirklich neue Art von Partei haben will.

Subversiv

Diese Frage hat die Partei zum Teil schon selbst beantwortet – auch wenn die deutliche Negation des Status quo selbst machen Parteiakteuren nicht klar zu sein scheint. Denn die Piratenpartei ist in ihrer Ausrichtung zumindest in einigen Feldern durchaus subversiv. Dann nämlich, wenn sie mehr oder weniger radikale Umverteilungsstrategien propagiert, wie sie es bspw. mit dem fahrscheinlosen ÖPNV oder dem Einsatz für ein bedingungsloses Grundeinkommen vollzieht. Gleiches gilt für die Forderung der Partei nach der „Transparenz aller staatlichen Prozesse“, welche auch die Veröffentlichung von Verträgen zwischen öffentlichen Einrichtungen und privaten Firmen umfasst. Solch eine Forderung mag zunächst leicht über die Lippen gehen. Bedacht werden sollte hierbei aber, dass ihre tatsächliche Umsetzung einen frontalen Angriff auf bestimmte korruptive Zusammenhänge bedeuten kann. Man muss hier nicht gleich das Bild des mit Geldscheinen gefüllten schwarzen Koffers vor Augen haben. Es genügt, sich zu vergegenwärtigen, dass mit solchen Verträgen öffentlich-private Beutegemeinschaften etabliert werden können, die wohl politisch verwerflich und illegitim sind, deren Illegalität aber nur schwer nachgewiesen werden kann. Dies wiederum macht die Forderung nach dem öffentlichen Zugang zu solchen Vertragswerken zu einer im Grunde genommen eher unangenehmen Sache für die jeweilige Regierung sowie die Oppositionsparteien, die sich als Regierung im Wartestand begreifen. Genauso wie die Forderung nach Transparenz bei Unternehmen im Eigentum der öffentlichen Hand. Als kleines Beispiel mag hier der Antrag der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin gelten, mit dem durchgesetzt werden sollte, dass der Aufsichtsrat der für den Bau des Flughafens BER zuständigern Flughafengesellschaft öffentlich tagen soll. Der Antrag wurde von SPD, CDU, Grünen und Die Linke abgelehnt.


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Peira/CC BY NC ND/Stand 01/2014 | www

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#Politik #Deutschland #Piraten #Demokratie #Analyse



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