Kommentar 16.11.2012 (Archiv)
Börse für alle hat ausgedient
Aktienhandel, Derivate, Rohstoffbörsen und mehr... - geschaffen wurden die Handelsplätze, um einen breiteren Zugang zu Geschäften auf transparente Weise zu ermöglichen. Prosperität, Profite und Liquidität sind die Folge - gewesen.Die Börsen funktionieren nicht mehr. Und große Hedge-Fonds, die als Heuschrecken über die Anteile verfügen und für Rendite alles vernichten drohen sind nicht die Gefahr, die die Börsen ruinieren wird. Es sind die Computer.
Das große Volumen der Transaktionen wird nämlich international von wenigen großen Investmentbanken und Finanzfirmen durchgeführt, bzw. von diesen aktiviert. Die Durchführung machen anonyme Server, die möglichst nahe an den Börsen-Rechenzentren beheimatet sind und mit Breitband-Anbindung an diese sehr schnell Aufträge vergeben können. Und das tun sie im Rahmen von Algorithmen selbsttätig.
Die Programme sind nicht nur schnell und mächtig, sondern auch hoch intelligent. Selbst manipulationen in Millisekunden sind so machbar, etwa das Austesten, wann potentielle Käufer Zertifikate kaufen würden. So wird per Kauf oder Verkauf kurz ein Preis an die gewünschte Stelle gesetzt, auf Reaktionen gewartet und dann gleich wieder zurückgeschraubt. Die Reaktion läßt für das System einen Rückschluss auf die Programme der anderen Institute - also auf die vorhandenen Aufträge dort - zu.
In solchen Systemen, die hoch komplex und technisch aufwändig sind, haben die Handelsschauplätze oberhalb der Rechenzentren kaum mehr Bedeutung, sie kommen mit der Geschwindigkeit einfach nicht mehr mit. Geld wird im Keller gemacht, wo die schnellen Rechner zuhause sind. Und da zählen oft Millisekunden über große Gewinne, die entweder einer oder ein anderer Rechner 'mitnimmt'.
Neben dem Aushebel der 'normalen' Börsenwelt seit den 90ern gibt es aber noch ein Problem am Börsenparkett: Computer können in Teufelskreise geraten - insbesondere im Zusammenspiel mehrerer Programme. Testet eines einen Verkauf aus und das zweite merkt den Kursverlust, um seinerseits Verkäufe zu beginnen, dreht sich der Teufelskreis schnell nach unten. In Sekunden halbieren sich da schon mal Börsenwerte, ohne, dass ein Mensch so schnell eingreifen könnte.
Die Politik und Wirtschaft schläft einmal mehr trotz der riesigen Gefahr, die von einem solch intransparenten Geschehen ausgeht, das noch dazu ein wichtiges Instrument am Markt in seiner Funktion aushebelt. Dabei könnte man den Hochgeschwindigkeitshandel an der Börse schnell einbremsen. Durch eine Transaktionssteuer, wie sie bereits angedacht wurde, sogar lukrativ für die Staaten. Oder durch bremsende Elemente, die den Computern einen Riegel vorschieben, der Menschen wieder Bedeutung gibt. Oder aber auch durch Verbote.
Vielleicht reicht aber auch eine selbstreinigende Wirkung, die eine garantiert menschlich geführte Börse bringen würde: Denn sowohl die handelnden Akteure am Parkett als auch die gelisteten Unternehmen müssten großes Interesse daran haben, nicht auf einem Marktplatz zu landen, wo sie von einer Black-Box im Keller der Börse abhängig sind.
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